Die neue Vorhalle sucht nicht den Kontrast zum romanischen Kirchengebäude von Gross St. Martin. Sie lehnt sich in Form und Materialität an den Bestandsbau an: das Dach ist mit Schiefer gedeckt, die Wände sind mit Tuffstein gemauert und die Holztür sitzt wie eh und je im Eingangsportal. Auf den ersten Blick wirkt die Vorhalle als wäre sie schon immer dort gewesen. Auf den zweiten Blick erzählt das Gebäude aber von seiner Zeitgenossenschaft. Im Außenbereich über die Details: die eingelassene Dachrinne an der Traufe, das Relief aus vorstehenden Glassteinen an der Süd- und Nordseite, das Ornament der Steinköpfe im Gewände des Eingangsportals. Im Innenraum zeigt es seine Zeitgenossenschaft selbstbewusst und raumbestimmend. Der Innenraum erhebt sich über halbkreisförmigem Grundriss, öffnet sich in Richtung Kirche und sucht den Dialog mit den halbkreisförmigen Chorkonchen. Wie in der romanischen Kirche sind die Wände und das Deckengewölbe massiv gemauert. Die Steinköpfe des Mauerwerks bilden eine ornamentale Struktur, die sich vom Außenportal in den Innenraum zieht. Sie entsteht dadurch, dass der rechtwinklige Mauerverband der Wände und der Decke vom halbkreisförmigen Innenraum angeschnitten wird. So treten die rechtwinkligen Mauerköpfe zahnförmig versetzt hervor. Einzelne Steine im Mauerverband sind aus massivem Glas, deren Oberfläche bei der Herstellung mit Tuffsteinmehl paniert wurde. Diese Steine leuchten bei Tageslicht und tauchen den Innenraum in ein mystisches Licht. Die bestehende doppelflügelige Holztür wird ins neue Außenportal versetzt. Eine gläserne Tür trennt die Vorhalle von der Kirche, erlaubt aber gleichzeitig den Blick in den Kirchenraum in Zeiten, in denen der beaufsichtigte Zutritt nicht gewährleistet werden kann. Eine hölzerne Bank lädt zum Verweilen ein; eine hölzerne Ablage dient zur Präsentation von Broschüren zur Baugeschichte und zu Aktivitäten des Konvents. Die Vorhalle ist nicht nur ein Funktionsgebäude. Sie ist ein Ort des Übergangs, der die Besucher auf das Betreten des Sakralraumes vorbereitet. In der mittelalterlichen Architektur wird eine Vorhalle oft als „Paradies“ bezeichnet. Das Paradies ist theologisch der Ort des Sündenfalls, an dem sich der Mensch von Gott lossagt und fortan nach seinem Heil sucht. Christus als neuer Adam erlöst die Menschen und weist ihnen den Weg zur Gott. Geht der Besucher von der Straße durch die Vorhalle in die Kirche, so durchschreitet er im übertragenen Sinne die Heilsgeschichte vom Sündenfall im Paradies bis zur Versöhnung im Hause Gottes: Eine Versinnbildlichung des pastoralen Anliegens der Schwestern und Brüder von Jerusalem, den Menschen aus der „Wüste der Stadt“ einen Weg ins „Neue Jerusalem“ zu zeigen. Die Architekturelemente der Vorhalle verweisen auf das Paradies: Die ornamentale Klinkerstruktur der Halle erinnert an ein Blätterkleid: die Blätter des Paradiesbaumes. Im Fußboden verläuft eine Rinne, die bei Regen über versteckt liegenden Fallrohre mit Wasser gespeist wird. Das fließende Wasser erinnert an das Wasser des Paradiesstroms. In der Mitte der Vorhalle hängt ein Weihwasserbecken, das z.B. bei Prozessionen hochgezogen werden kann. Das Wasser der Taufe ist das Zeichen der Versöhnung mit Gott und symbolisiert den Eintritt des Getauften in die Kirche. Die Vorhalle wird somit zum Sinnort: zum Ort des Übergangs und Suchens. Ein vertrauter Ort für Menschen unserer Zeit.